Forschungsaufenthalt in Sansibar – Ein Erfahrungsbericht

Laura Müller hat sich in ihrer Masterarbeit mit einem Wohnbauprojekt auf Sansibar auseinandergesetzt und berichtet hier von ihrem fünfwöchigen Forschungsaufenthalt vor Ort.
Sansibar (Stadt) erlebt seit den letzten Jahrzehnten einen erheblichen Bevölkerungszuwachs, sei es durch das natürliche Bevölkerungswachstum oder durch Migration. Die Bevölkerung ist in den Jahren von 2012 bis 2022 von etwa 500.000 auf 709.000 und damit um 3,54 % gestiegen (URT 2022). Die rasante Urbanisierung hat dazu geführt, dass der informelle Sektor schnell gewachsen ist und sich informelle Siedlungen in kürzester Zeit ausbreiten. Nach Angaben der United Republic of Tanzania (2011: 37) leben mehr als 70 % der Stadtbewohner:innen in nicht geplanten Siedlungen, die unzureichende Infrastruktur wie Straßen aufweisen. Eine dieser städtischen Siedlungen ist Fuoni. In der Regel verfügt dort jede Familie über ein eigenes Einfamilienhaus. Dabei hat sich die Struktur Fuonis über die letzten Jahrzehnte hinweg dynamisch und ohne städtebauliche Vorgaben entwickelt. Die Regierung versucht diesen Entwicklungen entgegenzuwirken und hat sich als Ziel gesetzt, bezahlbaren und modernen Wohnraum für alle Sansibaris zu schaffen (RGoZ 2020: 46).


Eines der bereits umgesetzten Wohnprojekte ist das ZSSF Mbweni Estate. Die Wohnanlage umfasst insgesamt 14 hochgeschossige Wohngebäude mit einer Gesamtwohnungsanzahl von 126 Wohneinheiten. Die Anlage wird mit diversen Annehmlichkeiten beworben, wie beispielsweise einem 24/7-Sicherheitsdienst, einem Parkplatz, einem Kinderspielplatz, einem Schwimmbad und einem Fitnessstudio (ZSSF o. J.). Nach Angaben des Managers des ZSSF Mbweni Estate sind nur etwa die Hälfte der Bewohner:innen der Wohnanlage Sansibaris und ein erheblicher Anteil an Wohnungen wird für touristische Zwecke oder andere kurz- und mittelfristige Aufenthalte vermietet.
Obwohl die Regierung das Ziel formuliert hat, allen Sansibaris angemessenen Wohnraum bereitzustellen (RGoZ 2020: 1), ist zumindest fraglich, inwieweit das ZSSF Mbweni Estate einen entsprechenden Beitrag leisten kann. Damit steht das Wohnprojekt in einem Spannungsfeld zwischen den Bedürfnissen der Bewohner:innen der Wohnsiedlung auf der einen Seite und der Herausforderung, einer wachsenden Bevölkerung in Sansibar gerecht zu werden, auf der anderen Seite.


Um genauer zu untersuchen, inwieweit das ZSSF Mbweni sowohl den Erwartungen der aktuellen Bewohner:innen als auch der lokalen Bevölkerung gerecht wird, habe ich während meines Forschungsaufenthaltes sowohl in der Wohnanlage ZSSF Mbweni Estate als auch in Fuoni qualitative Interviews durchgeführt. Unterstützung erhielt ich dabei von einer Forschungsassistentin. Sie half mir dabei, diverse organisatorische Fragen zu klären und falls nötig, während der Interviews von der Landessprache Swahili ins Englische zu übersetzen. Darüber hinaus half sie mir, die notwendigen Forschungsgenehmigungen sowohl für das ZSSF Mbweni Estate als auch für Fuoni zu organisieren. Das Durchführen der Interviews, die Gespräche mit einer Vielzahl von Menschen und der Austausch über ein so aktuelles Thema vor Ort waren für mich eine unvergessliche Erfahrung. Außerdem bekam ich die einzigartige Gelegenheit, in einem mir zuvor unbekannten Land den Forschungsprozess hautnah mitzuerleben.
Besonders meine Gastfamilie, bei der ich fünf Wochen lang gewohnt habe, hat meinen Auslandsaufenthalt geprägt. So bekam ich die Chance, selbst in Fuoni zu leben und den Alltag einer einheimischen Familie mitzuerleben. Meine Gastmutter brachte mir mit viel Begeisterung und voller Herzlichkeit die besondere und einzigartige Küche Sansibars näher. Dank der drei Kinder der Familie habe ich auch keinen Abend mit Langeweile verbracht (mindestens eine Runde Uno pro Abend). Die Eindrücke und Begegnungen, die ich dank meiner Gastfamilie erhielt, halfen mir dabei, hinter die touristische Fassade Sansibars zu blicken und die gewonnenen Erkenntnisse in Bezug auf meine Masterarbeit besser einordnen zu können.
Mein besonderer Dank gilt Frau Prof. Dr. Verne, die den Forschungsaufenthalt und die Verbindung zu meiner Gastfamilie erst möglich gemacht hat. Ich bin unglaublich dankbar für alle Einblicke, Erfahrungen und Begegnungen, die ich während dieser Zeit machen durfte. Die fünf Wochen waren nicht nur in Bezug auf meine Masterarbeit eine wahnsinnig spannende Zeit, sondern auch für mich persönlich eine unglaublich bereichernde Erfahrung.
Literaturverzeichnis:
The Revolutionary Government of Zanzibar (RGoZ) (2020): Zanzibar Development Vision 2050.
The United Republic of Tanzania (URT), Ministry of Finance and Planning, Tanzania National Bureau of Statistics and President’s Office – Finance and Planning, Office of the Chief Government Statistician, Zanzibar (2022): The 2022 Population and Housing Census: Administrative Units Population Distribution Report; Tanzania Zanzibar.
The United Republic of Tanzania (2011): Five Year Development Plan (FYDP) 2011/12 – 2015/16., Mininistry of Finance.
ZSSF (o. J.): ZSSF Mbweni Estate housing project is now open. Internet: http://www.zanzinews.com/2015/12/zssf-mbweni-estate-housing-project-is.html (11.04.2024).